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Bremsspuren am Schweizer Konjunkturhimmel

Der Schweizer Wirtschaft geht es gut. Doch nun kommt Gegenwind auf. Die Unternehmen erwarten laut KOF im Einklang mit den Prognostikern eine Abkühlung.

Der auf der Basis der Befragung von 4500 Unternehmen ermittelte Geschäftslageindikator der KOF Konjunkturforschungsstelle der ETH Zürich bekam im Juli einen kleinen Dämpfer. Dennoch war die Lage letztmals vor 11 Jahren so günstig. Doch nun kommt Gegenwind auf. Die Prognostiker von Raiffeisen Economic Research erwarten in ihrem jüngsten Konjunkturcheck vor dem Hintergrund auslaufender Corona-Wiedereröffnungseffekte, der hohen Inflation, dünner werdender Auftragsbücher und eines auf ein Allzeittief gesunkenen Vertrauens von Konsumentinnen und Konsumenten, dass sich der Konjunkturhimmel schnell verdunkeln wird. Raiffeisen rechnet für 2022 noch mit einem Wachstum von 1,9 Prozent, 2023 werden 1,5 Prozent erwartet.

In der Mehrzahl der vom KOF befragten Wirtschaftsbereiche kühlte sich die Geschäftslage im Juli ab. Am stärksten betroffen war der Detailhandel, der nach über einem Jahr im Hoch nun deutlich nach unten tendiert. Das betrifft vor allem die grossen Firmen, wo die Zahl der Kundinnen und Kunden sank und damit auch der Absatz von Waren. Für die nahe Zukunft werden keine Umsatzsteigerungen erwartet. Dafür sei aber mit Preissteigerungen zu rechnen. Es scheint, dass die Luft bis auf weiteres draussen ist. Etwas weniger ausgeprägt ist der Abwärtstrend im Bereich Finanz- und Versicherungsdienstleistungen, im Grosshandel sowie im Verarbeitenden Gewerbe.

Dennoch sei die Lage im Gewerbe besser als in den ersten fünf Monaten dieses Jahres. Der jüngste Dämpfer sei jedoch recht verbreitet spürbar. Zwar seien die Auftragsbücher noch gut gefüllt, die Neuaufträge – insbesondere aus dem Ausland – sprudelten jedoch nicht mehr so wie zuvor. «Die Kapazitätsauslastung ist im mittelfristigen Vergleich aber klar überdurchschnittlich, passend zur weiterhin guten Geschäftslage.» Zwar klage nach wie vor mehr als die Hälfte der Firmen über einen Vorproduktemangel. Der Anteil nehme aber nicht mehr zu und gleichzeitig füllten die Unternehmen ihre Vorräte an Vorprodukten weiter leicht auf. Zugenommen haben hingegen die Klagen über die Verfügbarkeit von Arbeitskräften, nicht ganz ein Drittel der teilnehmenden Firmen sieht sich dadurch beeinträchtigt. Obwohl der Schweizer Franken gegenüber dem Euro jüngst aufwertete, spüren die Unternehmen momentan keinen starken Verlust an Wettbewerbsfähigkeit im EU-Markt. Sowohl die export- als auch die binnenorientierten Firmen erwarten aber trotzdem keine Belebung der Nachfrage mehr. Dementsprechend sind die Produktionsplanungen weniger positiv als zu Beginn des Jahres. Die Geschäftserwartungen mit Blick auf das kommende halbe Jahr sind nicht mehr so zuversichtlich wie in den vergangenen Monaten. Die Dynamik dürfte sich daher spürbar verlangsamen, eine deutliche Abkühlung wird aber andererseits auch nicht erwartet.

Wohl dem schönen Wetter und einem anhaltenden Trend zu Inlandsurlauben geschuldet ist die starke Verbesserung der Geschäftslage im Gastgewerbe. Insbesondere in den grossen Städten, aber auch an den Ufern der grossen Seen zeigt sich der Aufwind, während in den Berggebieten die ausgezeichnete Geschäftslage nicht ganz gehalten werden kann. Gross ist nach wie vor der Personalmangel.

Auf dem internationalen wirtschaftlichen Parkett sinken laut Raiffeisen die Einkaufsmanager-Indices (PMI) sowohl in Europa als auch in den USA. Damit sei die erhoffte stärke Beschleunigung mit dem Nachlassen der globalen Lieferengpässe vom Tisch. In der Eurozone liegt der PMI inzwischen wieder auf dem Niv, wie er zu Beginn der Corona-Krise verzeichnet worden war. Womöglich bald einmal am Ende ihres Lateins könnten angesichts der galoppierenden Inflation die grossen Zentralbanken sein, allen voran die Europäische Zentralbank, die weitere Zinserhöhungen schon angekündigt hat. Das Fenster könnte sich, so Raiffeisen, indes angesichts des zu erwartenden Abschwungs, schon bald schliessen. In der Schweiz sei die Nationalbank weniger stark unter Druck, der Inflation entgegenzuwirken, auch der zum Euro unter Parität gefallene Schweizer Franken bereite der SNB angesichts des sehr hohen Inflationsdifferenz noch wenig Sorgen. Schon im September könnten, wenn der Franken nicht noch weiter aufwertet, die negativen Leitzinsen Geschichte sein.

Aufschlussreich ist der Blick auf die Entwicklung der indexierten Rohstoffpreise. Danach ist selbst der Weizenpreis, der nach dem russischen Überfall auf die Ukraine zeitweise fünfmal so teuer war wie vor drei Jahren, inzwischen wieder deutlich gesunken und bewegt sich etwa auf dem Niveau von Anfang 2021. Selbst Rohöl hat deutlich nachgegeben, was angesichts der weltweit gedämpften konjunkturellen Entwicklung auch nicht verwundert. Die einzige Ausnahme bildet das Gas in Westeuropa. Die stark gedrosselten Gaslieferungen aus Russland haben den Gaspreis buchstäblich zum Explodieren gebracht. An der Gasbörse in den Niederlanden ist der Preis um das Vierzehnfache gegenüber 2019 gestiegen. Das nährt die Befürchtung, dass der russische Aggressor sich damit eine noch goldenere Nase verdient und die europäische Gaskundschaft ungewollt den Feldzug gegen die Ukraine mitfinanziert.

Urs Fitze