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Bundesrat: Keine Änderung beim Verzugszinssatz

Der Bundesrat hält gar nichts von einem Vorschlag der nationalrätlichen Kommission für Rechtsfragen, einen variablen Zinssatz für die Erhebung von Verzugszinsen einzuführen. Stattdessen schlägt er vor, am seit 1911 geltenden Fixsatz von fünf Prozent festzuhalten. Das Geschäft geht nun an den Nationalrat.

11.08 Prozent Verzugszins zahlten im Mai 2023 Unternehmen in Österreich, wenn sie mit ihrer Zahlung im Rückstand waren. In Deutschland galten 10.62, in Frankreich 10.5 Prozent. Die Zinssätze werden dabei regelmässig an die Marktverhältnisse angepasst. Im so genannten «Bürgerlichen Verkehr» sind sie deutlich tiefer: Vier Prozent in Österreich, fünf in Italien, 6.62 in Deutschland. Die Prinzipien sind in einer europäischen Richtlinie aus dem Jahr 2011 geregelt. Damals galt in der Schweiz schon seit 100 Jahren ein einheitlicher Verzugszinssatz von fünf Prozent. Ein auf Basis einer Motion der FDP formulierter Vorschlag des Bundesrates, den Zinssatz für den «kaufmännischen Verkehr», also im Unternehmensbereich, auf zehn Prozent zu erhöhen und im privaten Verkehr bei fünf Prozent zu belassen, war 2010 in der Vernehmlassung harsch kritisiert worden. So blieb es bei fünf Prozent für alle. 2016 sollte es nach einer parlamentarischen Initiative von Nationalrat Fabio Regazzi (Mitte-Partei, seit 2020 Präsident des Gewerbeverbandes) in die umgekehrte Richtung gehen. Vor dem Hintergrund eines starken Schweizer Frankens und von Negativzinsen der Banken hätten Verzugszinsen von fünf Prozent die Schweizer KMU in eine schwierige Lage gebracht und müssten deshalb angepasst werden.

Nach einigem Hin und Her arbeitete die nationalrätliche Kommission für Rechtsfragen zwei Varianten aus:

  • Einen auf dem SARON basierenden variablen Zinssatz
  • Einen auf drei Prozent gesenkten fixen Zinssatz


Die Vernehmlassung zeitigte einen Graben, der sich zwischen den politischen Parteien und Kantonen sowie Wirtschaft öffnete. Während sich die politischen Kräfte mehrheitlich für eine Regeländerung mit dem variablen Zinssatz aussprachen, war die Mehrheit der Kantone und der Wirtschaftsverbände grundsätzlich dagegen. Die Kommission entschied daraufhin, dem Nationalrat die Variante 1 vorzulegen, eine kleine Minderheit beantragt, nicht darauf einzutreten.

NR Regazzi ging von einer falschen Ausganglage aus. Der Verzugszins soll die Refinanzierungskosten des Gläubigers decken - wobei kein Unternehmen einen Betriebskredit zum SARON erhält. Er kommt als Referenzzinssatz bei pfandgesicherten Forderungen zur Anwendung und kann nicht für die Argumentation der Senkung des Verzugszinses herangezogen werden. Unternehmen, die einen Betriebskredit aufnehmen müssen, leisten einen weitaus höheren Zins um neun Prozent.

Der Bundesrat sieht in seiner Stellungnahme schlicht «keinen Bedarf für eine Anpassung von Artikel 104 OR». Er begründet seine Haltung primär damit, dass sich das wirtschaftliche Umfeld seit 2016 stark verändert habe. «Die damalige Situation wurde jedoch als Hauptgrund für die Revision angeführt.» Es sei zudem, entgegen der Auffassung der Kommission, davon auszugehen, dass mit einem höheren Verzugszins die Zahlungsmoral «verbessert» werde. Das habe auch das Bundesgericht anerkannt. Die Zahlungsmoral sei deshalb ein «wesentlicher Aspekt des Verzugszinses» und dürfe nicht, wie von der Kommission vorgeschlagen, «völlig ausser Acht gelassen werden». Nicht überzeugend sei auch das Argument, der starre Zinssatz von fünf Prozent lade Gläubiger zum Missbrauch ein, indem die Schuldenforderung mit Verzögerungstaktik aufgeschoben werden, um höhere Renditen aus der Zinsbelastung zu erzielen. Aktuelle Daten zeigten, dass vier von fünf Unternehmen sich mit Zahlungsschwierigkeiten Ihrer Kundschaft herumschlagen. Die Wirtschaft habe deshalb alles Interesse, auf fristgerechten Zahlungen zu bestehen. Das gelte uneingeschränkt auch für den nicht kaufmännischen Bereich.

Insgesamt sende eine Reduktion des Verzugszinssatzes ein «falsches Signal» an Schuldnerinnen und Schuldner. Der feste Zinssatz sei zudem bewährt, relativ ausgewogen und allgemein bekannt. Zudem sei das Ergebnis der Vernehmlassung mit 15 Kantonen, einer politischen Partei und sechs Organisationen, die sich ablehnend äusserten, «ziemlich eindeutig». Zu beachten sei zudem, dass es den Geschäftspartnern freistehe, «jeweils einen höheren oder niedrigeren Verzugszinssatz zu vereinbaren oder diesen sogar ganz auszuschliessen.» In einem Eventualantrag, falls der Nationalrat den Antrag der Kommission annehmen sollte, schlägt der Bundesrat vor, den Verzugszinssatz jährlich festzulegen, auf Basis des durchschnittlichen Zinssatzes für gesicherte Interbanken-Kredite zuzüglich eines Zuschlages von drei Prozent. Der Verzugszinssatz hätte dabei eine vorgegebene Schwankungsbreite von drei bis fünfzehn Prozent.

Urs Fitze